Guido Gobino
Torino, Piemonte, Italien
Guido Gobino ist ein schlanker Mann, obwohl er am Abend zu viert beim Kartenspiel gut und gerne eine ganze Tafel seiner Schokolade verzehrt und wenig Sport treibt. Wer einmal seine handgemachte Milchschokolade mit piemontesischen Haselnüssen in den Abmessungen von sage und schreibe 20 x 40 cm im Haus hat, wird süchtig. Es bleibt nicht bei einem Stück, das man am besten mit einem spitzen Messer absticht, sondern es werden mit Sicherheit weitere folgen. Der Geschmack dieser Schokolade ist so perfekt zwischen Süsse und Bitterkeit abgestimmt, die Haselnüsse schmecken so intensiv frisch und ein wunderbarer Milchgeschmack bleibt angenehm im Mund zurück – da kann man nicht aufhören. Und offensichtlich nimmt man dabei nicht zu!?
Die Schokolade erobert Europa
Als die Schokolade Spanien und damit Europa erreichte, herrschte die Zeit der Glaubenskriege. Die Landkarte Europas änderte sich fast so schnell wie die Bündnisse der einzelnen Akteure. Den Weg der Schokolade quer durch Europa aufzuzeichnen, bleibt deshalb weitgehend unmöglich.
Für die Verbreitung der Schokolade waren vor allem die Beziehungen der Königs- und Fürstenhäuser sowie der rege Austausch unter den Klöstern verantwortlich. So brachten Adelige und Mönche die Schokolade aus Spanien mit in ihre Heimat, wobei die Mönche sie möglicherweise auch manchmal direkt aus der neuen Welt mitbrachten.
Vermutlich erreichte die Schokolade nach Spanien (und Portugal) als nächstes Italien. Das damalige Italien bestand allerdings aus vielen kleinen Herrschaftsgebieten, die keinen gemeinsamen Staat bildeten. So gehörten der südliche Teil Italiens und Sizilien der spanischen Krone, während die einzelnen Staaten im Norden Italiens immer wieder durch das Heilige Römische Reich, durch Frankreich und später auch durch Österreich besetzt wurden. Dazwischen herrschte unter anderem der Papst mit seiner eigenen Armee über grosse Teile Mittelitaliens.
Wie schon in Spanien lässt sich auch in Italien nur spekulieren, wer die Schokolade als Erster mitbrachte. Neben den Spaniern, die die Schokolade in ihre italienischen Gebiete mitgebracht haben könnten, kommt hier vor allem die katholische Kirche in Betracht. So verfügte vor allem der Jesuitenorden über ein Netz von Klöstern in ganz Europa und Mittelamerika, und es liegt nahe, dass es Mönche waren, die die Schokolade nach Mittel- und Norditalien brachten.
Es wird um 1644 gewesen sein, als die Schokolade zunehmend Verbreitung in Italien fand, denn aus dieser Zeit liegt uns der Bericht eines römischen Arztes vor, der über die Auswirkungen der Schokolade berichtet (Zacchia 1644).
Turin und die Schokolade
Die Turiner Schokoladentradition geht auf das Jahr 1560 zurück, als Emanuele Filiberto zur Einweihung der Verlegung der Hauptstadt des Herzogtums Savoyen von Chambéry nach Turin eine Tasse Schokolade der Stadt weihte. 1678 wird der Ausschank dieses neuen Getränks erlaubt – der Beginn Turins, die Schokoladenstadt Italiens zu werden. Noch heute wird im Piemont 36% der nationalen Schokoladenproduktion erzeugt.
Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurde an einer neuen Produktionsform – Schokolade nicht mehr als Getränk, sondern in Tafeln – herumexperimentiert, indem man Kakao, Vanille, Wasser und Zucker mit einer neuen Technologie mischte. Diese Turiner Erfindung führte zur grossen Entwicklung von Turin zur Schokoladenstadt. Hier lernten auch die zwei Vorreiter der Schweizer Schokoladenindustrie, Suchard und Cailler, diese Technik und entwickelten sie in der Schweiz weiter.
Doch der absolute Klassiker Turins ist die Gianduja, die im Jahr 1865 durch Michele Prochet erfunden wurde, indem er fein gemahlene, geröstete Haselnüsse mit Kakao mischte. Dabei entstand diese Erfindung aus der Not, denn durch die napoleonische Blockade war der Import von Kakao schwierig geworden und so streckte man den fehlenden Kakao mit den heimischen Haselnüssen. Berühmte Schokoladenhersteller wie Baratti & Milano, Caffarel, Gobino, Peyrano, G. Pfatisch, Streglio, Stratta perfektionierten durch ihre Innovationen das Produkt immer weiter.
Neben den grossen Produktionsstätten entstanden in der ganzen Stadt elegante Caffè und Salons, wo man der Schokolade in all ihren Formen frönte. Und bis heute geniesst man das «Bicerin» – die Tasse Schokolade mit Rahm und Caffè angereichert, die berühmten Cremini mit zartschmelzender Schokolade, die Haselnussschokolade mit den DOP-Haselnüssen aus dem Piemont und die Crema di Gianduja – welche aber mit der Nutella wohl etwas zu stark industrialisiert wurde und dem Original wenig gleicht.